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Geschichte ganz nah

geschrieben von: Joelee Kobler

1933, ein Jahr in dem eine sehr dunkle Zeit in Deutschland begann. Albrecht Weinberg, damals  ein junger, ostfriesischer Junge, ahnte noch nicht was für eine Zeit auf ihn und seine jüdischen Mitmenschen zukam.

Am 15.12.2021 besuchte uns Albrecht Weinberg in der Aula. Anstatt an diesem trüben Tag zuhause zubleiben und Tee zu trinken, wie es in Ostfriesland, seiner Heimat, üblich ist, entschied er sich einem Teil unserer Schulgemeinschaft seine Geschichte zu erzählen.

Diese Geschichte begann vor 96 Jahren in Rhauderfehn, wo er als Sohn eines Schlachters mit seinen Eltern und Geschwistern, als Teil einer jüdischen Familie, aufwuchs. Groß geworden im Dorf, war das nachbarschaftliche Verhältnis gut, egal ob zu anderen jüdischen, oder auch katholischen/protestantischen Familien.

Der Glaube war Privatsache, und hatte keinen Einfluss auf das Zusammenleben, zumindest solange bis die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen.

Zeitgleich mit Hitlers Ernennung als Reichskanzler begann die systematische Diskriminierung von Juden, die auch Albert Weinbrecht und seine Familie zu spüren bekamen. Die Freunde der Kinder wollten nicht mehr mit ihnen spielen. Albrecht erinnert sich an einen Vorfall, bei welchem er als Junge in den gefrorenen Kanal gebrochen war, und keiner ihm half. Er berichtet, dass die anderen Jungen am Kanalrand gesessen hätten und riefen ‘‘Sitzt ein Jude im Kanal, wenn er ertrinkt helfen wir ihm nicht‘‘. Ein Nachbar half ihm zwar raus, doch der zielgerichtete Hass gegen Juden nahm kein Ende.

Die Geschwister Weinberg mussten auf eine weiter entfernte jüdische Schule wechseln, der Vater durfte seinen Beruf nicht mehr ausüben, die Mutter bekam keine Lebensmittel mehr für die Familie, alles nur, weil sie jüdisch waren. In der Reichspogromnacht am 8.11.1938 wurde das Eigentum der jüdischen Bevölkerung zerstört, Synagogen niedergebrannt und Geschäfte ruiniert. Alle jüdischen Männer über 18, so auch Albrecht, wurden durch die Sturmabteilung der Nazis auf den Viehmarkt in Leer getrieben, und schließlich über Güterwagen in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht.

Ab diesem Zeitpunkt verbrachte Albert, während die „Endlösung“ sprich die vollständige Vernichtung europäischer Juden, immer weiter ging, den Großteil seines Jungen Lebens in verschiedenen Arbeits- und Konzentrationslägern, wo er nichts anderes war als eine Nummer.

116 927

116 927, diese Nummer bekam Albrecht in Auschwitz auf den Linken Unterarm tätowiert, nachdem er mit vielen anderen Juden tagelang ohne Nahrung, mit einem Eimer als Toilette durch halb Europa transportiert worden war.

„Wir dachten wir müssten an der russischen Front kämpfen“ berichtet Weinberg. Sie rechneten nicht mit einem Vernichtungslager und Gaskammern, doch genau das war der folgende Alltag. In Auschwitz wurden sie sortiert, Frauen, Männer und Kinder wurden aufgeteilt. Die Männer mussten arbeiten.

Morgens und Abends musste man zur Zählung antreten, zu Essen gab es nur wässrige Suppe.

Gekleidet wurden die Gefangenen in Häftlingsuniformen, sodass sie immer zu erkennen waren, und die es unmöglich machten zu fliehen. Sollte es doch einmal jemand versucht haben, wurde diese Person gehängt, und andere Häftlinge mussten sich dies als Abschreckung anschauen.

Albrecht Weinberg wurde weiterhin in vielen verschiedenen Lagern untergebracht, die Nazis wollten ihr Arbeitskräfte nicht verlieren und schickten sie auf verschiedene Todesmärsche. Zwischenzeitlich arbeitete er an der Vergeltungsbombe mit, bevor er schließlich in dem Konzentrationslager Bergen-Belsen landete.

Er berichtet uns, dass dies schon eher ein Friedhof als ein Gefangenenlager gewesen sei, und auch er selber sich nicht erklären könne, wie er dies überlebt habe. Am 15.04.1945 wurde das Konzentrationslager durch britische Soldaten befreit.

Tausende starben im Lager, oder noch danach an den Folgen, doch Albrecht Weinberg überlebte diese Zeit. Amerikanische Dolmetscher und Hilfsorganisationen trafen ein, über welche Albrecht seine Schwester glücklicherweise wieder finden konnte.

Ohne ein Wort Englisch zu können wanderten die zwei schließlich nach Amerika aus. Dort führte Albrecht nach einem harten Start schließlich 26 Jahre lang, wie sein Vater damals schon in Rhauderfehn, einen Schlachterladen am Broadway.

 

Nachdem Herr Weinberg berichtete, hatten Schülerinnen und Schüler Zeit die seltene Gelegenheit zu nutzen und einem Zeitzeugen ihre ganz persönlichen Fragen zu stellen. Wir bedanken uns bei Herrn Weinberg der seine Geschichte mit uns teilte, und diesen Teil der Geschichte so nah an uns heranbrachte.